In einer Schublade bei mir zuhause gibt es einen Stapel von kleinen bunten Heften und Büchern. Es sind die Tagebücher, die ich als Kind vollgekritzelt habe und die ich nicht wegschmeißen kann, weil mein jüngeres Ich in ihnen ihr Herz ausgeschüttet hat. Wie einem guten Freund hat sie den Tagebüchern von ihrem Alltag erzählt, von den Jungs, die sie anhimmelt und den Ängsten, die sie plagen.

Irgendwann war die Zeit der Tagebücher vorbei, doch jetzt habe ich das Schreiben wieder für mich entdeckt. Und damit bin ich nicht alleine, denn unter dem Begriff Journaling (von engl. journal: Tage- oder Notizbuch) erlebt das Tagebuchschreiben ein Comeback. Und das aus gutem Grund.

Die gesundheitlichen Vorteile des Schreibens

James W. Pennebacker, einer der führenden Forscher auf dem Gebiet des expressiven Schreibens, erklärt, dass der Mensch beim Schreiben nicht nur Gefühle zum Ausdruck bringt, sondern auch Erlebnisse in Sprache übersetzt, wodurch die Erfahrung greifbar wird. Außerdem kommt es dadurch zu einigen sehr interessanten gesundheitlichen Verbesserungen.

1) Immunsystem

Eine Studie der Cambridge University belegt, dass Menschen, die regelmäßig ihre Gedanken zu Papier bringen, eine bessere Leber- und Lungenfunktion haben. Schreiben kann außerdem den Blutdruck und die Herzfrequenz senken und sogar Symptome von Asthma und Arthritis lindern. Alles in allem müssen Tagebuchschreiber:innen auch seltener zum Arzt.

2) Gehirnleistung

Wer ein Journal nutzt, um über die eigenen Probleme zu reflektieren, kann das Meiste aus der eigenen Gehirnleistung herausholen. Durch die beim Journaling entstehende Verbindung der Gehirnanteile schöpft man sein Potenzial voll aus.

3) Stressabbau

Gerade Formen des Journalings, bei denen man sich mit Dankbarkeit beschäftigt (aber auch alle anderen), helfen dabei, Energie und Motivation aufzubauen und Ängste zu reduzieren. Wenn man normalerweise unterdrückte, negative Gedanken und Emotionen zu Papier bringt, werden sie sichtbar. Das erlaubt uns Abstand zu nehmen und die Dinge objektiver zu betrachten. Wir können unsere Ängste und Probleme so besser verarbeiten und werden nicht unterbewusst von ihnen beeinflusst.

Weitere Vorteile des Tagebuchschreibens sind u.a. mehr Dankbarkeit, verbesserter Schlaf, ein besseres Selbstbewusstsein und ein verbessertes Erinnerungsvermögen. Und wer regelmäßig schreibt, bekommt auch schnell eine gewissen Routine, die wiederum auch gut für unser Gehirn ist. Zu Routinen im Alltag habe ich ja schon mal einen anderen Beitrag geschrieben. Den findest du hier.

Wie fange ich an?

Egal ob du einen Weg suchst mit Ihren Ängsten umzugehen, vor großen Veränderungen stehst oder dem Alltagsstress entkommen willst: Tagebuchschreiben kann jeder und jede. Da es trotzdem einschüchternd sein kann vor einem leeren Blatt zu sitzen, sind hier ein paar Tipps, um dir die Angst vor dem Losschreiben zu nehmen.

  • Du musst kein literarisches Meisterwerk erschaffen. Dein Journal gehört dir und wenn du es nicht möchtest, muss es niemand zu Gesicht bekommen.
  • Lass deinen Gedanken freien Lauf und schreib sie einfach los. Kümmere dich nicht um Grammatik oder Rechtschreibung. (Falls du zu den Leuten gehörst, die Fehler nicht ertragen, kannst du sie im Nachhinein auch ausbessern, aber lass dich nicht während des Schreibprozesses von ihnen ablenken).
  • Falls es dir schwerfällt, einen Fließtext zu schreiben, kannst du dich auch auf eine andere Weise ausdrücken. Egal ob du mit Mindmaps, Listen, Zeichnungen oder einfach Ansammlungen von Wörtern arbeitest, die Hauptsache ist, dass du den richtigen Weg für dich findest, um deine Gedanken zu Papier zu bringen.
  • Such dir ein Buch aus, das dir gefällt und in das du gerne hineinschreibst. Du kannst dir auch selbst eines basteln oder ein gekauftes umgestalten.
  • Bau das Schreiben in deine Tagesroutine ein. Du kannst z.B. immer in der Mittagspause oder nach dem Abendessen zu deinem Journal greifen. Du kannst dir auch einen Timer setzen, z.B. auf 5min oder 10min.
  • Wenn du überhaupt nicht weißt, worüber du schreiben sollst oder, wenn du ein bestimmtes Thema behandeln möchtest, kannst du mit sogenannten Prompts (Fragestellungen) arbeiten. Im Internet findest du viele Seiten mit Vorschlägen, wie z.B.:

 

Was sind die Prioritäten in meinem Leben?                                                                        Vor was habe ich Angst? Was kann ich tun, um diese Angst zu überwinden?                   Für welche Dinge in meinem Leben bin ich dankbar?                                                       Was mache ich besonders gerne?                                                                                     Wer inspiriert mich?

  • Lass dich während des Schreibens nicht von deinem Handy ablenken. Journaling ist auch eine Art Selbsterfahrung und diese Zeit gehört nur dir.

Besondere Arten des Journalings

Dankbarkeitsjournal:
Schreib jeden Tag fünf Dinge auf, für die du dankbar bist. Das können Menschen in deinem Leben, große Erfolge oder auch die ganz kleinen Dinge sein, wie z.B. dass das Essen in der Cafeteria heute besonders lecker war.
One line a day:
Schreib jeden Tag nur einen Satz auf (Diese Methode ist perfekt, wenn es dir schwerfällt, Zeit zum Tagebuchschreiben zu finden). In dem Satz kann es um alles Mögliche gehen: Erlebnisse, Gedanken, Gefühle.
Morgenseiten:
Schreib jeden Tag direkt nach dem Aufwachen drei Seiten mit den Dingen voll, die dir in den Kopf kommen. Wichtig ist, dass du den Stift dabei niemals absetzt. Diese Methode gibt dir die Möglichkeit mit einem klaren Kopf in den Tag zu starten.

Bild für canva: @Leo Patrizi von Getty Images Signature